Haushaltsrede 2024

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren!
Es gilt das gesprochene Wort – wie üblich ganz ohne Tippfehler!

Zum Wort des Jahres 2023 wurde kürzlich das Wort „Krisenmodus“ gewählt.
Es beschreibt sehr treffsicher die wirkliche und die gefühlte Situation vieler Menschen im Land.
Nach den tiefen Einschnitten in unser gewohntes Leben durch Corona ging es nahtlos weiter mit Ukrainekrieg, Energiekrise, Massaker in Israel, Krieg in Gaza, Flüchtlingswellen in Europa, Beschleunigung der Klimaproblematik, erstarken von demokratiefeindlichen Kräften allerorten, nagende Kräfte an der europäischen Einigkeit, grottenschlechte Pisa-Ergebnisse, Regierungsstress in Berlin, die Aussicht auf eine 2. Amtszeit für Trump usw. usw.

Ganz ehrlich: Mein Vorrat an Optimismus und Zuversicht schwindet!
Und die Laune wird auch durch das Studium des städtischen Haushaltes nicht besser. Ganz im Gegenteil!

Erinnerungen an die Defizite der Jahre um 2010 werden wach.
Die Phase der Prosperität der städtischen Finanzen durch eine florierende Wirtschaft und die Steuererhöhung in 2015 ist definitiv vorbei.

Der Kämmerer beschreibt die Situation treffend im Vorbericht.
Für seine klaren Worte sind wir ihm dankbar.

Ich zitiere auszugsweise daraus:
– „Krisenhafte Entwicklungen (Pandemien, Einfluss von Kriegsgeschehen, größere Migrationsbewegungen) und bundes-/landesspezifische Entscheidungen mit nachhaltigen Auswirkungen auf die finanzielle Situation der Stadt Rhede sind nicht durch örtliches Handeln beeinflussbar und reduzieren die Möglichkeiten einer nachhaltigen Finanzwirtschaft deutlich.“
– „Die weit über 1 Milliarde € isolierten Kosten, die den NRW -Kommunen entstanden sind für Covid 19 und den Ukrainekrieg müssen „mitgedacht“ werden.“

Kommentar unsererseits:
Müssen „mitgedacht“ werden, eine sehr moderate Formulierung.
Erstaunlicherweise hat noch niemand gegen das Covid 19-Ukraine-Isolierungsgesetz geklagt. Es ist aus unserer Sicht ein Meisterwerk der Finanztrickserei auf dem Kostenverschiebebahnhof zwischen Bund, Land und Kommunen.

Weiter mit Zitaten:
– „Angesichts der Dynamik der krisenhaften Entwicklungen und der hohen Unsicherheit sind die Prognoserisiken im kommenden Haushalt größer als sonst.“

– „Die Anzahl der Förderprogramme hat sich auf ca. 350 fast verdoppelt. Förderprogramme sind allerdings kein angemessenes Instrument zur Finanzierung von Daueraufgaben.
Deutschlands Städte und Gemeinden brauchen keine Fördermittel, sie brauchen Steuermittel.
Entscheidend ist also eine bedarfsgerechte Finanzausstattung der Kommunen. Fördermittel sollten die Ausnahme darstellen und sich darauf beschränken, neue Entwicklungen anzustoßen und besondere Missstände zu beheben.“

Kommentar unsererseits:
Am Beispiel Förderprogramme wird der überbordende Aufwuchs an Bürokratie exemplarisch deutlich.
Zur Bearbeitung von Förderanträgen braucht es immer mehr Personal in den Kommunen, immer mehr Personal bei der Bezirksregierung und zusätzliches Personal in Düsseldorf bei der kontrollierenden Landesregierung.
Darüber hinaus wird mit den Fördergeldern eine Beratungsindustrie aufgebaut und unterhalten, was die Fördersummen und damit ihre angestrebte Wirkung reduziert.

Einem Stoßgebet gleich kann man nur dazu auffordern:
Gebt uns das Geld ungekürzt und unterstützt damit die kommunale Selbstverwaltung! Wir vor Ort wissen besser, wo es brennt und was nötig ist!

Zurück zum Kämmerer:
– Er zitiert den Präsidenten des Städte- und Gemeindebundes, der in einem Brandbrief mit seinen 355 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern an den Ministerpräsidenten schrieb:
„Die Summe der aktuellen Herausforderungen überfordert die Kommunen. Steuereinnahmen stagnieren, Kosten explodieren, Bund und Land konfrontieren mit neuen Aufgaben, ohne die nötigen Mittel bereitzustellen.
Die Bürgermeister zeigen sich tief besorgt, dass nötige Einschnitte nicht mehr zu vermitteln seien. Dem Staat drohe das Vertrauen der Bürger verloren zu gehen und die Demokratie drohe zu erodieren.
Auch die Bereitschaft zu kommunalpolitischem Engagement werde darunter leiden, wenn im Rat nicht mehr gestaltet, sondern nur über Zumutungen entschieden werden könne.“

Dem ist nichts hinzuzufügen!

Was nun? Wie kann es weitergehen?

Transformation ist aktuell ein vielbenutzter Begriff.
Aber die aktuell hohe Schlagzahl an geforderten Veränderungen überfordert Menschen. Das ist ein ernst zu nehmendes Phänomen.
Dennoch gilt, was der langjährige Geschäftsführer des Nachhaltigkeitsrates Prof. Dr. Günther Bachmann sagt:
„Wer abwartet, verliert. Wer zögert treibt die Rechnung hoch. Wer wegschaut, macht sich schuldig.“

Wir wissen, dass wir uns anpassen müssen, aber unser aller Beharrungsvermögen ist groß und der Appetit auf Veränderung wird immer geringer.
Ein Mensch, der nach Veränderung schreit, ist bekanntlich ein Kleinkind mit der vollen Hose.

Wir meinen, wir sollten uns auf unsere größte Fähigkeit besinnen, die wir als Menschen haben, nämlich uns an verändernde Bedingungen anzupassen.
Gehen wir die Probleme couragiert an, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken!

Die konkrete Frage stellt sich umgehend:
Wie gehen wir mit dem Defizit des vorgelegten Haushaltes um?
Wie halten wir es mit den Schulden?

Am Ende des jetzigen Finanzplanungszeitraums 2024 wird der Kernhaushalt unserer Stadt Verbindlichkeiten von ca. 40 Millionen € oder ca. 2100€ pro Einwohner aufweisen.
Wo liegt eine Obergrenze für Schulden? Was ist die zumutbare Grenze? Was können wir, was müssen wir uns leisten?
Diese Diskussion wird momentan bedingt durch das Urteil des BVG allerorten äußerst heftig diskutiert.
In Berlin ist ein wirkliches Ende des Streites um die Finanzen derzeit nicht in Sicht und jeder Tag ohne Klarheit lässt weiteres Vertrauen wegbrechen!
Aber nicht nur im Bund und im Land, sondern auch in Kommunen bleibt die finanzielle Belastbarkeit eine ständig neu auszutarierende Größe.

Auch wir müssen erkennen: Trotz neu gebauter Kitas, aufwendiger Sanierung der Gesa usw. gibt es an vielen Stellen weiterhin großen Investitionsbedarf.
Straßen im Innen- und Außenbereich, Digitalisierung, Personalgewinnung, Klimafolgenanpassung, Gebäudesanierung, Wohnungsbau usw. hungern nach Investitionen.
Eine schlechte bzw. marode Infrastruktur sind unserer Meinung nach ebenfalls Schulden und alles andere als generationsgerecht.

Folgerichtig halten wir eine Verschuldung für Investitionen in Infrastruktur, die auch von künftigen Generationen genutzt und bezahlt werden wird, für vertretbar.
Auch ein Stellenaufwuchs im Bereich der Jugend- und Flüchtlingsarbeit ist für uns eine sinnvolle Zukunftsinvestition.

Zusammenfassend kann ich sagen:
Wir stehen den zukünftigen Herausforderungen offen gegenüber.
Darüber hinaus lege ich Wert auf die Feststellung, dass wir hier im Hause trotz mitunter heftiger Meinungsverschiedenheiten in grundlegenden Fragen einig sind.
Unsere Einstellungen, Pläne und Vorhaben sind bekannt.
Wir verteufeln weder das Auto, noch den MIV und wir wertschätzen, unabhängig von einer Mitgliedschaft, die soziale Arbeit der Kirche.
Ihr kennt uns!

Wir nehmen unsere Verantwortung für Rhede ernst und werden dem vorgelegten Haushalt zustimmen.

Wir danken allen Beteiligten für die gewohnt präzise und akribische Aufstellung des Zahlenwerks zum Haushalt!
Darüber hinaus gilt unser Dank den vielen tatkräftigen Menschen in Rhede, die zumeist ehrenamtlich ihren Einsatz in Vereinen und anderen Organisation leisten.
Ohne sie wären wir deutlich ärmer!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
R.Störkmann

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