Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren!
Es gilt das gesprochene Wort – wie üblich ganz ohne Tippfehler!
„Die öffentlichen Kassen nehmen historisch viel Steuern ein!“ so oder ähnlich war es in den vergangenen Wochen wiederholt zu lesen.
Auch die Stadt Rhede ist seit 2018 in den Genuss eines warmen Steuerregens gekommen, der das lange finanzielle Jammertal, in dem wir uns befanden, beendete.
Leider haben die Einnahmen im laufenden Jahr eine leichte Delle bekommen. Die Prognosen für 2020 lassen bei konservativer Betrachtung erwarten, dass für das Jahr 2020 mit einem negativen Ergebnis gerechnet werden muss. Es kann allerdings noch aus der Ausgleichsrücklage finanziert werden kann.
Experten schätzen die bundesdeutsche Konjunktur als robust ein, machen aber auf strukturelle Wandlungs- und Anpassungsprozesse als potenzielle Risikofaktoren aufmerksam. Man denke nur an die Verwerfungen im Bereich Automobilbau, den Brexit und drohende Zölle, resultierend aus Trump’s irrlichternder Politik.
Die Industrie- und Gewerbestruktur im Münsterland gilt hingegen als sehr gut aufgestellt. Ein Blick in die regionalen Stellenanzeigen bestätigt die positive Grundstimmung. Gesucht werden händeringend Fachkräfte aller Berufsrichtungen und ganz besonders Auszubildende.
Also von Krise und Pessimismus keine Spur.
Ich kann also feststellen: Wir kommen mit einem blauen Auge davon, konzentrieren wir uns auf die Zukunft!
Nun zum vorliegenden Haushalt.
Bei unseren Beratungen ließen wir uns von folgen Fragen leiten:
- Welche Risiken birgt der städtische Haushalt?
- Wie halten wir es mit den Schulden?
- Wie stellen wir uns den Zukunftsaufgaben?
Zu 1: Risiken für den städtischen Haushalt
Zukunft ist schwierig, weil sie noch vor uns liegt. Aber absehbare Risiken zu kalkulieren und einzuplanen ist klug.
Zu den Risiken für zukünftige Haushalte zählt aus unserer Sicht:
- Der noch nicht absehbare Finanzbedarf für die Sanierung der Gesamtschule
Ja, wir haben einen Befreiungsschlag unternommen und Architekt und Rohbauunternehmer entlassen. Die Summe der Verfehlungen und Versäumnisse war zu lang geworden. Was schlussendlich nach Fertigstellung, der zu zahlende Preis sein wird, und um wieviel er von den ursprünglich kalkulierten 18 Millionen € abweicht, ist noch äußerst unsicher. - Die Kosten für eine neue Grundschule
Die Overberggrundschule soll neu gebaut werden. Kosten und Art der Finanzierung sind bisher noch nicht bekannt. - Die nicht ausreichenden Pensionsrückstellungen
Selbst der beste Beamte geht irgendwann in den Ruhestand. Idealerweise wird sein Ruhestand aus gebildeten Rücklagen finanziert, die während seiner beruflichen Tätigkeit angespart wurden. Ansonsten wird nämlich seine Pension von der nächsten Generation zu zahlen sein.
Tatsache ist aber, dass seit Jahren, zu Gunsten von Investitionen, die Bildung von Rücklagen vernachlässigt wurde. - Der beim europäischen Gerichtshof auf dem Prüfstand befindliche steuerliche Querverbund für Schwimmbäder
Die Verluste im Bad werden mit den Gewinnen der Stadtwerke verrechnet. Auf diese Weise beteiligt sich der Bund an den Verlusten des Bades.
Genau das steht auf dem Prüfstand, weil andere das als verdeckte Subvention sehen. - Der Finanzbedarf für die Erhaltung von Infrastruktur
Unbestritten ist das System „Straße“ unterfinanziert. Der Verschleiß ist größer, als die jährliche Sanierungsleistung. Hier wächst ein Investitionsstau heran. Wie lange kann man so weiterfahren?
Zu 2: Wie halten wir es mit den Schulden?
Am Ende des jetzigen Finanzplanungszeitraums 2020-2023 wird der Kernhaushalt unserer Stadt eine Verschuldung von ca. 38 Millionen € oder ca. 2000€ pro Einwohner aufweisen.
Wo liegt eine Obergrenze für Schulden? Was ist die zumutbare Grenze?
Diese Diskussion wird momentan mit einem anderen Zungenschlag geführt, als noch vor einigen Jahren. Durch die Marginalisierung der Zinsen werden Schulden in anderem Licht gesehen. Geld kostet fast nichts mehr.
Dass Schulden dennoch getilgt werden müssen, hat sich allerdings nicht geändert.
Insofern bleibt die finanzielle Belastbarkeit einer Kommune eine ständig neu auszutarierende Größe.
Unsere Meinung dazu:
Wir halten eine höhere Verschuldung für Investitionen in Infrastruktur, die auch von künftigen Generationen genutzt und bezahlt werden wird, für vertretbar.
Mit Sanierungen zu warten bis Zinsen wieder ein höheres Niveau erreichen, erscheint uns nicht als ein sinnvolles Handeln.
Zu 3: Was sind unsere Zukunftsaufgaben und wie stellen wir uns ihnen?
Momentan befinden wir uns in einem gewissen Schwebezustand. Das Stadtentwicklungskonzept STEK einschließlich des Mobilitätskonzeptes wird erarbeitet, das Zukunftsprogramm Rhede 2020 bekommt ein Update.
Das Gutachten zur Reaktivierung der Bahn lässt, trotz oder wegen eines Verkehrsministers aus Rhede, seit vielen Monaten auf sich warten.
Mit Spannung warten wir auf die Ergebnisse und freuen uns auf Diskussionen darüber, wie Rhede sich entwickeln soll.
Unabhängig von den Ergebnissen ist allerdings heute schon klar, dass
- die Anpassung an veränderte Klimabedingungen,
- eine Verkehrswende,
- die Digitalisierung,
- und Konsequenzen aus dem demographischer Wandel
bedeutende Themen für die Zukunft sein werden.
Insbesondere der Themenbereich „Klima“ beschäftigt uns schon geraume Zeit. Eine Vielzahl von Anträgen, die zwar in der Mehrzahl abgelehnt wurden, entfalten dennoch ihre Wirkung.
Mittlerweile fordert schon die CDU eine ökologischere Gestaltung von Gewerbegebieten. Gut so! Ein entsprechendes Förderprogramm, resultierend aus unserem Antrag vom Beginn dieses Jahres, wird heute beschlossen.
Abgelehnt wurde eine Harmonisierung der Leitziele für eine ökologische Gewerbegebietsentwicklung, wie sie aktuell in Bocholt entwickelt werden.
Unser Ziel ist es, keine Konkurrenz zu Lasten der Umwelt zwischen den Kommunen zuzulassen.
Trotz Ablehnung in Rhede ist das Thema auf oberster Ebene im Kreis angekommen.
Ebenfalls abgelehnt wurde eine Wärmeplanung zur Identifizierung von Potenzialen für Wärmenetze.
Tatsächlich bekommen wir jetzt ein Wärmenetz im neuen Gudulaviertel. Geht doch!
Streit um ökologische Standards, wie beim Planungsprozess Beethovenstraße, werden sich so in Zukunft wohl nicht wiederholen. Ich gehe davon aus, dass die Einsicht, dass wir unser Handeln verändern müssen, um sich gegriffen hat. Klimaveränderungsleugner gibt es in diesem Rat nachweislich nicht, wie ein weiterer Antrag unsererseits deutlich machte.
Das Lastenrad, zunächst vehement abgelehnt, wird jetzt zum Bestand der Verwaltung gehören. Ein bisschen Verkehrswende gib es also schon.
Solange allerdings, wie in der vergangenen Woche beschlossen, Wirtschaftswege zu respektablen Landstraßen aufgepumpt werden, gib es zum Thema „Verkehrswende“ noch einiges zu tun.
Die Ehrenamtskoordinatorin ist installiert. Das Ehrenamt wird dadurch aufgewertet und professionell organisiert. Für das Danksagungsfest im vergangen Sommer gab es lobende Resonanz.
Für unsere Stadt wird uns ein moderates Bevölkerungswachstum bis ca. Mitte des nächsten Jahrzehnts vorausgesagt.
Der Bedarf an Flächen für Gewerbe und Wohnen bleibt aktuell.
Neben der beliebten Wohnform „Einfamilienhaus“, werden laut Pestel-Institut insbesondere kleine, bezahlbare Wohnungen gefragt sein.
Die Zwischenergebnisse zum STEK- Programm zeigten uns schon deutliche Entwicklungsschritte zur Befriedigung dieser Nachfrage auf.
Einfach nur per Antrag, wie schon häufig in der Vergangenheit geschehen, die Zuteilung von Baugrundstücken zu fordern, reicht da nicht aus. Zumal, wenn man über die Flächen nicht einmal verfügt.
Stadtentwicklung ist ein komplexer Prozess, bei dem viele Stellrädchen zu drehen sind. Daran werden wir differenziert weiterarbeiten.
Zum Highlight, nein eher Tiefpunkt der Haushaltsberatungen, entwickelte sich der Antrag der CDU-Fraktion zum Thema Rad- und Wirtschaftswegebau.
Hier ging die CDU noch einen Schritt weiter und gab jede gebotene Neutralität auf, indem sie 1:1 Partikularinteressen vertrat.
Damit waren für uns Grenzen überschritten. Da konnten wir nicht mitgehen.
Zu den Fakten:
Seit Jahren sind Verwaltung und Landwirtschaft unterwegs, um ein tragfähiges Konzept für die Erhaltung und Sanierung von Wirtschaftswegen zu finden.
Große Einigkeit herrscht im Rat darin, dass das System Straße chronisch unterfinanziert ist und täglich mehr verbraucht, als saniert wird.
Die Landwirte, als kluge, wirtschaftlich und unternehmerisch denkende Menschen, machten, angeregt vom historisch billigen Geld, den Vorschlag, einen Großteil der nötigen Sanierungen en bloc ausführen zu lassen. Synergieeffekte könnten so generiert werden und für Jahrzehnte hätte man große Teile der Wirtschaftswege saniert.
Über Finanzierungen wurde gesprochen, aber eine konkrete Vereinbarung in Form eines Wirtschaftswegekonzeptes liegt aktuell noch nicht vor.
Diese lobenswerte Initiative aus der Landwirtschaft gilt es nun mit den Bedingungen der öffentlichen Verwaltung abzustimmen.
Folgende Schritte sind aus unserer Sicht notwendig:
- Wir brauchen zunächst ein klar ausgehandeltes Wirtschaftswegekonzept, das Rechte, Pflichten und finanzielle Beteiligungen klar definiert.
- Dieses Wirtschaftswegekonzept muss anschließend dem Rat vorlegt und beschlossen werden.
- Das in der Entwicklung befindliche Mobilitätskonzept ist mit dem Wirtschaftswegekonzept abzustimmen.
- Vor der Bereitstellung von finanziellen Mitteln durch die Kommune, sind außerdem alle Förderkulissen zu prüfen.
Dass diese Abfolge von Schritten geradezu zwingend ist, weiß auch die CDU-Fraktion. Dennoch versuchte sie mit diesem Thema Stimmung für sich zu machen.
Unserer Meinung nach bewegt sie sich hier im Randbereich der Seriosität.
Wir konnten diesem Antrag nicht zustimmen.
Einen Kompromissvorschlag unsererseits wurde seitens CDU/FDP abgelehnt.
Leider war dieser unselige Antrag verknüpft und eingebunden in die Veränderungsliste zum Haushalt 2020. Damit gab es nicht mehr die Möglichkeit separat über diesen Antrag abzustimmen.
Daher bleibt uns leider nur die Möglichkeit den Haushalt als Ganzes abzulehnen.
Ausdrücklich bedanke ich mich beim Kämmerer und seinem Team für das Aufstellen des Haushaltes und die Unterstützung bei der Beratung. Wir schätzen ihre Arbeit!
Ich danke für ihre Aufmerksamkeit!
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