Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren!
Es gilt das gesprochene Wort – wie üblich ganz ohne Tippfehler!
„Bund, Länder und Kommunen verbuchen Rekordeinnahmen!“ So lauteten im vergangenen Jahr um diese Zeit Schlagzeilen. Uns blieb nur das Staunen darüber, denn diese Nachricht schien von einem anderen Stern zu kommen.
Inzwischen sind auch wir in den Genuss dieses Steuerregens gekommen.
Der Kämmerer konnte seine Prognosen kräftig nach oben verändern.
Bravo!
Das ist die erfreuliche Seite der Medaille.
In der Tat läuft momentan vieles wie geschmiert und das sogar ohne die „geklauten Millionen“ zurückbekommen zu haben, um im Jargon von Herrn Wüst zu sprechen. Gemeint sind die Schlüsselzuweisungen alten Stils.
„Es läuft so gut, so soll es bleiben!“ war vom Neujahrsempfang der CDU voller Rührseligkeit und Selbstgefallen zu lesen.
Ist es wirklich so? Sind wir auf dem Weg in goldene Zeiten?
Bevor ich tiefer einsteige, möchte ich mich an dieser Stelle beim Rathausteam bedanken für das Aufstellen des Haushaltes und die Unterstützung bei der Beratung.
Wie in den letzen Jahren werde ich Ihnen nun anhand unserer Leitfragen die Position der grünen Fraktion erläutern:
- Wie steht es um die städtischen Finanzen?
- Wer zahlt unsere Schulden?
- Lassen sich weitere Einsparungen realisieren?
- Stellen wir uns angemessen den Zukunftsaufgaben?
Zu 1. Wie steht es um die städtischen Finanzen?
Der Kämmerer konnte uns einen Haushalt vorlegen, der aufgrund der erheblichen Steuermehreinnahmen deutlich besser dasteht als in den Vorjahren.
Ist nun alles gut? Absolut nicht!
– Laut den Planungen des Kämmerers wird bis einschließlich 2019 nur ein fiktiver Haushaltausgleich statt eines echten erreicht. Das heißt, der Eigenkapitalverzehr geht vorerst weiter.
– Die Verschuldung wird, getrieben von nötigen Investitionen, bis 2021 auf voraussichtlich 28 Mill. € steigen.
– Die eigentlich notwendige Bildung von Rücklagen für Pensionen und Beihilfeaufwendungen wird in die Zukunft verschoben. Investitionen haben jetzt Vorrang.
– Dennoch dürfen wir die Tatsache nicht verdrängen, dass trotz der schon für unsere Verhältnisse gewaltigen Investitionen, wir an jedem Tag in Rhede mehr Infrastruktur verbrauchen, als wir reparieren und sanieren.
Kurz: Wir fahren auf Verschleiß!
Zu 2. Wer zahlt unsere Schulden?
Ich weiß, der Begriff „Generationengerechtigkeit“ ist hier im Kreis unbeliebt. Man fühlt sich, wenn man ihn hört ertappt, etwas unternommen bzw. beschlossen zu haben, was dem Nachwuchs auf die Füße fällt.
Dabei müsste es doch geradezu eine Selbstverständlichkeit für uns sein, dass wir so handeln, dass wir nicht nachfolgenden Generationen die Reparatur der von uns genutzten Infrastruktur und die Kosten für unseren Lebensstil überlassen.
Aber davon sind wir leider immer noch weit entfernt. Nach Lage der Dinge werden unsere Kinder von uns Schulden erben.
An zwei entscheidenden Tatsachen kommen wir nicht vorbei:
- Wir sind insbesondere wegen steigender Soziallasten auf Mittelzuflüsse von außen angewiesen. Genau daran mangelt es.
- Von einer generationengerechten Zuordnung der Lasten kann bis heute nicht gesprochen werden.
Diesen Fakten kann man auch auf einem Neujahrsempfang nicht entkommen.
Ein wenig Hoffnung auf Erleichterung bleibt:
– Sollte das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Gutachten zum Thema „Verteilung der Schlüsselzuweisungen“ zu unseren Gunsten ausfallen, und die Landesregierung anschließend den Mumm haben, das auch in einem für uns positiven Sinn umzusetzen, gäbe es Erleichterung.
– Sollte es in Berlin mal wieder eine Regierung geben, ist es durchaus denkbar, dass die Kommunen vom Bund mehr Geld erhalten.
Sollte, wenn und aber! Fakten klingen anders.
Eine Gewissheit bleibt uns: Als erster Stelle sind wir immer selbst gefordert.
Zu 3. Lassen sich weitere Einsparungen realisieren?
Im Prinzip schon, aber auch in diesem Jahr nicht unbedingt erwünscht.
Die heilige Kuh, die Größe des Rates, wird auch in diesem Jahr nicht angetastet.
Dabei ist es inzwischen, natürlich gesetzlich klar geregelt, deutlich teurer geworden als in den Vorjahren.
Aber die große Mehrheit hier im Rund möchte an sich selbst nicht sparen.
Schade!
Ansonsten gilt wie in den Vorjahren:
Das Finden von Einsparpotenzialen ist eine fortdauernde, systematische Aufgabe. Das Leistungsangebot der städtischen Verwaltung steht permanent auf dem Prüfstand und unter kritischer Beobachtung durch die Mitarbeiter.
Um in regelmäßigen Abständen einen Blick von außen auf unser System zu bekommen, sehen wir eine Überprüfung durch Externe, allerdings in größeren Zeitabständen, inzwischen durchaus positiv.
Zu 4. Stellen wir uns angemessen den Zukunftsaufgaben?
Da muss ich differenzieren.
Im Schulbereich haben wir uns gemeinsam auf den Weg gemacht, um unsere Schullandschaft zukunftssicher zu machen.
Die neu gegründete Gesamtschule läuft nun schon im 5. Jahr erfolgreich.
Real- und Friedensschule verabschieden im Sommer ihre letzten Schüler/innen und haben dann endgültig ihren Dienst getan.
Das sage ich im Übrigen nicht ganz ohne Wehmut.
Genau hier im Schulzentrum wird momentan eine Mammutaufgabe gestemmt, die Sanierung des Schulzentrums im laufenden Betrieb.
Ein CDU Antrag thematisierte Probleme bei der Umsetzung dieser Aufgabe.
Zwischen den Fraktionen konnte im HFA schnell darin Einigkeit erzielt werden, wie wir dieses wichtige Vorhaben weiterhin intensiv begleiten. Das ist gut so!
Auch im Bereich der Kindergärten, Grundschule, OGS und VHTS sind wir uns weitestgehend einig und zukunftssicher unterwegs.
Nach schwieriger Geburt hat das Ehrenamt endlich eine feste Position im Haushalt und in Kürze auch eine konkrete Person, die als Koordinator für das Ehrenamt fungieren soll.
Der Bereich Leben und Wohnen erfreut sich momentan reger Aktivität.
Die Bauwirtschaft arbeitet an der Kapazitätsgrenze.
Das Thema „kostengünstiges Wohnen“ ist in den Köpfen angekommen. Vielversprechende Projekte sind in Planung und werden zeitnah angegangen.
Die Innenstadt entwickelt sich, die ärztliche Versorgung macht gute Fortschritte.
Vieles von dem, was wir uns im „Zukunftsprogramm Rhede 2020“ in 2012 vorgenommen hatten, läuft wirklich gut! Das Zukunftsprogramm als roter Faden war uns stets hilfreich.
Daher wir begrüßen ausdrücklich die im Haushalt dokumentierte Fortschreibung dieses Programms.
Das Ende der Gemeinsamkeiten kam in der Bauausschusssitzung vom 07. Februar. Und seitdem überwiegen Zweifel, ob wir für die Zukunft richtig aufgestellt sind.
Mit klaren Erinnerungen an das Hochwasser 2016, den dramatischen Insektenrückgang vor Augen, mögliche Folgen des Klimawandels im Sinn, gehen wir davon aus, dass uns in Zukunft erhebliche Anstrengungen zur Anpassung an sich verändernde Lebensbedingungen abverlangt werden.
Vor diesem Hintergrund stellten wir hochmotiviert Anträge zu den Themenblöcken
– Biodiversität ( Öffentliches Bunt)
– Hochwasserschutz (Förderung der Entsiegelung)
– Co2 Minderung (Wärmeplanung)
– Modal-Split (Pedelec-Lastenfahrrad)
Diese Anträge waren das Ergebnis von intensiver Beschäftigung mit der jeweiligen Materie.
Es geht es in der Summe um komplexe Zusammenhänge zwischen Biologie, Physik, Chemie, wirtschaftliche Aspekte, aber auch um menschliche Gewohnheiten, um technische Belange, wie die Stabilität unseres Stromnetzes und nicht zuletzt um Freude an einem fortschrittlichen Gemeinwesen.
Offensichtlich war im BPUA damit mancher überfordert.
Alle Anträge wurden ausnahmslos abgelehnt. Einen SPD Antrag mit ähnlicher Thematik erwischte es genauso.
Dass Anträgen die Zustimmung versagt bleibt, ist ein normaler Vorgang. Aber auf das Wie, die Art und Weise kommt es an!
Die Diskussionsbeiträge zeugten von eklatanter, ja peinlicher Unkenntnis und Nichtvorbereitung der Themen.
Stattdessen hörten wir z.B. ein trotziges Bekennen zum Versiegeln von Vorgärten und erlebten ein zusammenhangloses Vermengen von Einzelaspekten zu neuen „Wahrheiten“ auf Trump‘schem Niveau.
Ein Beispiel gefällig? Es gibt kein Insektensterben, denn ein Kollege wurde noch im letzten Jahr am Teich von Mücken gestochen.
Jemand anderem sind die Kosten für einen in der Walachei stehenden Bagger deutlich wichtiger, als diese Themen.
Und spätestens nach jeder dritten Wortmeldung kommt halblaut aus dem Hintergrund die Ansage: „Abstimmen!“
Wir verstanden die Botschaft dahinter: Wir haben keine Lust über eure Themen zu diskutieren. Gleich beginnt Fußball im Fernsehen.
Ein präzises Argumentieren unsererseits prallte ab an vorgefassten Meinungen bzw. schon in Fraktionen festgezurrten Positionen.
Damit nicht genug:
– Ein Kollege fragt wiederholt: „Darf man solche Anträge eigentlich stellen?“ Er bezweifelt die Legalität unserer Anträge.
– Der Ausschussvorsitzende macht sich zynisch lustig über das Thema „Entsiegelung“ indem er vorgibt, sich wegen der vielen Grabsteine auf dem Friedhof zu sorgen.
Statt Wertschätzung untereinander, trotz unterschiedlicher Positionen, schlug uns Geringschätzung, Häme und Spott entgegen.
Hier wird die Ausschussarbeit ad absurdum geführt, lächerlich gemacht und entwertet.
Dabei sind Anträge zum Haushalt das Salz in der Suppe. Sie gehören diskutiert. Dabei darf es ruhig kontrovers zugehen. Dann werden die Unterschiede zwischen den Parteien deutlich. Doch nur eine ernsthafte, seriöse Debatte macht die Qualität der Ausschussarbeit aus!
Idealerweise mündet sie in Zielvereinbarungen, die von der Verwaltung umgesetzt werden. So wird Politik konkret.
Das ist nicht nur legal, sondern sogar erwünscht! Es entspricht exakt den Regularien der „Neuen Steuerung“ zum Umgang zwischen Politik und Verwaltung.
Nebenbei bemerkt:
Wir hätten uns gerne mit Ihren Anträgen beschäftigt und mit Ihnen darüber diskutiert. Ja, wenn welche vorgelegen hätten.
Hier, genau hier in dieser Situation im Bauausschuss am 7. Februar Herr Bürgermeister, hätte ich mir einen Einspruch Ihrerseits gewünscht.
Hier wäre Ihr Einsatz gewesen. Hier hätten Sie mal die Fahne für ein faires Miteinander hoch halten können.
Diese Chance haben Sie leider verpasst.
Herr Bürgermeister, verehrte Bauausschussmitglieder von CDU und FDP!
Ich antworte Ihnen mit einem Zitat von Dieter Hildebrandt, der am Ende einer Vorstellung mal sagte:
„Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie meine Leidenschaft. Ich hätte Ihnen Ihre auch gerne verziehen.“
Ich fasse zusammen:
Im Gegensatz zu dem Wunsch nach Konstanz und Ruhe, der aus dem Zitat am Beginn meiner Rede spricht „Es läuft so gut, so soll es bleiben!“ sehen wir uns eher als Teilnehmer in einem sehr heftig ablaufenden Wandlungsprozess.
Gesellschaft, Umwelt, Kommunikation, Wirtschaft- und Arbeitsbedingungen ändern sich rasant.
Wir sehen unsere Aufgabe darin, den Balanceakt zwischen der nötigen Anpassung an Veränderungen und dem Festhalten am Bewährten zu unterstützen.
Verweigern, aussitzen oder gar ignorieren von Schwierigkeiten und Problemen ist nicht unser Ding.
Wir werden dem vorgelegten Haushalt zustimmen und uns außerdem im Hinblick darauf, was wir nachfolgenden Generationen hinterlassen, weiterhin aktiv für Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, einsetzen, auch wenn sie neu, ungewöhnlich und nachhaltig sind.
Ich danke ihnen für ihre Aufmerksamkeit!
Reinhold Störkmann
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